Kruste & Krume
Partnerbetrieb, Verarbeitender Betrieb - ZurĂŒck zur Ăbersicht
Brotbacken mit Laib und Seele
Im GesprÀch mit Barbara van Melle.
Der Duft von Brot und Kaffee weht uns durch die geöffneten FlĂŒgeltĂŒren entgegen, als wir die Brotbackschule Kruste & Krume im 4. Wiener Gemeindebezirk betreten. Dort fĂŒhrt Barbara van Melle gemeinsam mit ihrer Tochter Jelka Kirnbauer eine Brotbackschule mit angeschlossener GreiĂlerei.
Brotbacken ist, das können wir hier offen zugeben, auch eine Leidenschaft, der Teile des Bad Ischler Teams verfallen sind â und das schon lange vor Lock Downs und hippen BĂ€ckern mit Breitenwirkung. AnknĂŒpfungspunkte also zuhauf, doch starten wir at the very beginning âŠ
Liebe Frau van Melle, wie sind Sie eigentlich auf das Brot gekommen?
Ich war 25 Jahre meines Lebens als Journalistin und Moderatorin fĂŒr den ORF tĂ€tig. Das Thema Lebensmittel hat mich immer schon begleitet, privat wie beruflich. Ich habe Berichte und Dokumentationen zum Thema Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion gemacht und lieĂ in meiner letzten Sendung âSchöner lebenâ auch Produzenten und Produzentinnen direkt zu Wort kommen. Parallel dazu habâ ich mich mit dem Thema Slow Food beschĂ€ftigt und die ursprĂŒnglich italienische Non Profit Organisation gleichen Namens nach Wien geholt und dann auch viele nationale und internationale Slow Food Projekte umgesetzt.
Ab 2015 habâ ich mich intensiver mit dem Grundnahrungsmittel Brot beschĂ€ftigt. Ich habe an meinem ersten Buch âDer Duft von frischem Brotâ gearbeitet und dafĂŒr zwölf BĂ€cker in ganz Ăsterreich besucht. Ich wollte Antworten auf die Frage finden, warum wir vom BĂ€ckersterben reden, warum so viele Betriebe zugrunde gehen? Damals waren es immerhin sechzig Betriebe im Jahr, die das Handtuch geschmissen haben! Und natĂŒrlich hab ich mich gefragt, welche betrieblichen Rezepte eine BĂ€ckerei in Zukunft erfolgreich machen könnten.
Die Zeit damals markiert im Nachhinein betrachtet einen Umbruch. Einerseits mussten unzĂ€hlige Betriebe schlieĂen, andererseits hat Josef Weghaupt seine erste BĂ€ckerei mit Joseph Brot eröffnet und war sehr erfolgreich damit, das Handwerk radikal in den Vordergrund zu stellen.
Aber zurĂŒck zu meinem Buch. Ich war sehr blauĂ€ugig und hab jeden der zwölf BĂ€cker gebeten, mir fĂŒnf Rezepte zu geben. Ich wollte mehr als nur journalistische Reportagen schreiben, ich wollte Brotrezepte integrieren, obwohl ich selbst ĂŒberhaupt nicht Brot gebacken hab zu dieser Zeit! Viele Rezepte der Profi-Backstuben waren dann leider fĂŒr die Umsetzung im Haushalt nicht geeignet. Da ich aber verstĂ€ndlicherweise nicht wollte, dass das Buch ein totaler Flop wird â ich Ă€rgere mich wahnsinnig ĂŒber Rezepte, die nicht funktionieren â, habâ ich begonnen, alle Rezepte nachzubacken und alltagstauglich zu machen. Ich habe auch Rat bei befreundeten BĂ€ckern gesucht und konnte erste praktische Erfahrung in Backstuben sammeln, zum Beispiel bei Helmut Gragger oder in der BĂ€ckerei Ströck.
Herausgekommen ist 2015 Ihr erstes Brotbackbuch âDer Duft von frischem Brot. Ăsterreichs beste BĂ€cker verraten ihre Rezepteâ.
Das Buch hat auf Anhieb extrem gut funktioniert und ist dann zum Bestseller geworden. Ich hatte dann die Idee, das erste österreichische Brotfestival zu organisieren. Das war 2016, dort lernte ich auch Simon Wöckl, einen groĂartigen BĂ€ckermeister, kennen, der mit seinem Holzofen angereist war.
Aufgrund des Bucherfolgs wurde ich auch fĂŒr Backworkshops in KĂŒchenstudios angefragt. Das fand ich aber sehr mĂŒhsam, einfach weil die Infrastruktur in einem KĂŒchenstudio nicht aufs Brotbacken ausgelegt ist. Simon und ich haben uns dann 2018 entschieden, die Brotbackschule zu eröffnen. SpĂ€ter kam dann auch noch das GeschĂ€ftslokal nebenan dazu, wo die GreiĂlerei jetzt ist. Die GreiĂlerei ist deshalb auch so wichtig, weil die Mehle so eine unglaubliche Bedeutung haben. In der GreiĂlerei gibtâs unterschiedliche BĂ€ckermehle in verschiedenen Ausmahlgraden, Backmalze, und natĂŒrlich auch alles Zubehör zum Brotbacken. SpĂ€ter kam dann auch noch der Onlineshop hinzu. Mittlerweile ist unser Team auf 14 Mitarbeiter*innen angewachsen, dazu gehört BĂ€ckermeister Sebastian und Julia, eine sehr erfahrene BĂ€ckerin, die unser vielseitiges Angebot an Backkursen leiten.
Brot und Salz sind in jeder Kultur symbolisch aufgeladen.
Heute ist Brot wohl jenes Grundnahrungsmittel, das am meisten polarisiert. Auf der einen Seite gilt es als ungesunder Dickmacher, viele Backstuben greifen auf fertige Backmischungen zurĂŒck, und die Backshops werden mit importierten Teiglingen beliefert. Auf der anderen Seite erlebt Brot einen Hype, der es erlaubt, beinahe unverschĂ€mte Preise fĂŒr Brot zu verlangen. Wo verorten Sie sich?
Es ist unser wichtigstes Grundnahrungsmittel.
Was ist die wichtigste Zutat?
Die Zeit ist die wichtigste Zutat â es ist die Zeit, die dem Brot Geschmack, Haltbarkeit und Bekömmlichkeit gibt. Es gibt mittlerweile Studien, die belegen, dass langzeitgefĂŒhrte Teige und Brote, die mit Sauerteig gebacken werden, bekömmlicher sind. Der SchlĂŒssel dazu ist die Fermentation, die Sauerteig durchlĂ€uft, man kann sie quasi als Vorverdauung bezeichnen. Die Geschichte mit der Verteufelung des Weizens ist absurd und hat eher damit zu tun, dass Weizenprodukte mit wenig Zeit hergestellt werden. Wenn man mit einem sehr hohen Proteingehalt in sechzig oder gar nur dreiĂig Minuten ein Backwerk macht, am besten noch mit enorm viel Hefe und vielen Zusatzstoffen, die den Teig weich und luftig machen, und dann kommt dieses Backwerk auch noch in ein Nylonsackerl, damit es drei Wochen haltbar bleibt â so etwas wĂŒrde ich nicht wirklich als hochwertiges, gesundes Lebensmittel bezeichnen.
Aber vom Sauerteig weiĂ man mittlerweile, welche Effekte er hat, besonders wenn es um das Aroma und die Frischhaltung geht. Das spĂŒren die Menschen auch. Wir hören ganz oft hier bei uns nach den Kursen: âMa des vertragâ ich gar netâ, oder: âIch habâ eine GlutenunvertrĂ€glichkeit.â Dann backen wir mit Sauerteig, backen mit langzeitgefĂŒhrten Teigen, und das vertragen die Leute auf einmal doch sehr gut!
Dass Brot im Haushalt gebacken wird, ist noch nicht so lange her. Und heute erlebt es wieder einen enormen Aufwind.
Das stimmt, frĂŒher wurde meist nur in bĂ€uerlichen Haushalten selbst gebacken. Und da wird auch vieles romantisiert. Und es sind einige Alltagsmythen rund um das Brot entstanden. Zum Beispiel, dass frisches Brot ungesund ist und blĂ€ht. Das trifft nur auf Sauerteigbrote gar nicht zu. Man hat diese Geschichte aber erzĂ€hlt, weil man verhindern wollte, dass zu viel Brot gegessen wird. Und jeder weiĂ, dass man vom frischen Brot viel mehr essen kann als von altem. VerstĂ€ndlich ist das nur vor dem Hintergrund der Armut â Brot hat die Menschen ernĂ€hrt und es war ganz einfach oft nicht im Ăberfluss da, musste also rationiert werden.
Brot wurde nicht weggeworfen, dafĂŒr war es viel zu kostbar als Grundnahrungsmittel. Die Knechte und die MĂ€gde haben das harte Brot auseinandergehackt und in StĂŒcken in der SchĂŒrze und im Hosensack getragen. Wollten sie es essen, mussten sie es vorher einspeicheln. So war es dann auch sĂ€ttigend. Man hat Brot frĂŒher nicht weggeworfen, man hat es weiterverarbeitet, zu einer Brotsuppe, zum Knödel, zum Scheiterhaufen.
Heute haben wir einen gĂ€nzlich anderen Umgang mit Brot und GebĂ€ck. Es steht an erster Stelle der verschwendeten Lebensmittel! Wir regen uns ĂŒber den Preis auf und gleichzeitig werfen wir ein Drittel davon weg â irgendwas stimmt da doch nicht.
Wir haben heute nicht mehr die Kompetenz mit trockenem Brot umzugehen. Dabei lebt die österreichische KĂŒche von Brot! Es ist eine Grundzutat fĂŒr viele Rezepte.
Gerade in der Wiener Tradition mit dem vielen WeiĂgebĂ€ck mit all den panierten Gerichten oder SĂŒĂspeisen, wie Topfenknödel mit Bröseln.
Wenn es um das Wegwerfen von Brot geht, werden hĂ€ufig GroĂbĂ€ckereien ins Spiel gebracht. Der Vorwurf lautet, dass das Brot aus ihren Backstuben von minderer QualitĂ€t sei.
Als ich damals das erste Buch geschrieben habâ, besuchte ich Betriebe im ganzen Land, groĂe wie kleine. DafĂŒr wurde ich ziemlich gebasht: Wie kann man nur die groĂen, industriellen Betriebe besuchen! Das hat mich irrsinnig geĂ€rgert, weil manche Vorurteile einfach so wahnsinnig undifferenziert sind. Es ist definitiv nicht so, dass klein immer fĂŒr gut und Handwerk und groĂ immer fĂŒr schlecht und Industrie steht. Es gibt mittlerweile viele groĂe Betriebe, die Sauerteig kultivieren und sehr gute, langzeitgefĂŒhrte Brote backen. Schon allein durch ihre GröĂe können sie gutes Brot zu einem Preis herstellen, dass fĂŒr viele Menschen leistbar ist. Ich kann doch nicht zu einer vierköpfigen Familie sagen, kauft alle Brot um zehn Euro das Kilo. Das geht ja vorbei an jeder sozialen RealitĂ€t.
Brot ist ein demokratisches Gut. Wie politisch ist essen?
Essen ist absolut politisch, das ist wirklich unbestritten. Das ist ja auch die alte Geschichte, dass wir mit jedem Einkauf entscheiden, welches System wir unterstĂŒtzen.
Und dennoch sind groĂen BĂ€ckereibetriebe wichtig, weil sie die KapazitĂ€ten haben, hochwertige Lebensmittel fĂŒr viele leistbar zu produzieren und nicht zuletzt, weil sie Lehrlinge ausbilden. Das ist ein wesentlicher Faktor! Und sie unterstĂŒtzen lokale Netzwerke, wenn es um die Lieferanten geht und sie verkaufen ihr Brot auch in SupermĂ€rkten vor Ort. Also Supermarktbrot ist nicht per se schlecht!
Was macht die österreichische Brotkultur aus?
Wir haben eine sehr vielfĂ€ltige Brotkultur. Wobei unsere Mischbrote â also das Mischen von Roggen und Weizen, etwas typisch Ăsterreichisches ist. Je weiter westlich man kommt, desto höher ist der Roggenanteil, einfach weil der Roggen besser im alpinen Raum wĂ€chst als Weizen. Und je weiter im Osten, desto mehr Weizenanteil hat das regional typische Hausbrot. In Wien haben wir auĂerdem eine sehr besondere Brot- und GebĂ€ckkultur. Nirgendwo hat es historisch gesehen so viele HandgebĂ€ckformen gegeben wie hier. Vieles davon ist bedauerlicherweise verschwunden. Im 19. Jahrhundert aber war Wien die Hochburg der BĂ€ckerei. Die Leute sind von ĂŒberall nach Wien gekommen und die Wiener BĂ€cker waren gefragte Lehrmeister. Das Kipferl kommt ĂŒbrigens definitiv aus Wien und wurde im 19. Jahrhundert nach Paris gebracht. In Wien wurde auch vieles entwickelt, zum Beispiel die sogenannte Beschwadung, also das Bedampfen der Backwerke im Ofen. Ich bin an BĂ€ckerei-Geschichte sehr interessiert und haben auch mein zweites Buch dann der Geschichte der Wiener BĂ€ckerei und der Viennoiserie gewidmet. (âVom Kipferl zum Croissant. Wiener FeingebĂ€ck einfach selbst gemacht.â, 2019 bei Pichler erschienen, gemeinsam mit Pierre Reboul)
Wir gehen in die Backstube, wo Julia und Sebastian dabei sind, fĂŒr das BAD ISCHLER Team ein Baguette mit langzeitgefĂŒhrtem Weizensauerteig zu backen. Das GesprĂ€ch setzt sich beim Kneten und Formen der Teiglinge fort, bis die Baguettes in den Ofen kommen. In der Zwischenzeit besuchen wir auch die GreiĂlerei nebenan, werden bei dem einen oder anderen Bortback-Accessoire schwach, und kehren an den gedeckten Tisch in der Brotbackschule zurĂŒck. Kaffee, frische Baguettes, Butter, Schnittlauch und BAD ISCHLER Natursalz â mehr braucht es nicht zum GlĂŒcklichsein. Wir bedanken uns beim Kruste&Krume-Team und bei Barbara van Melle fĂŒr den wunderbaren Vormittag in der Brotbackschule!