Joseph Brot
Partnerbetrieb, BAD ISCHLER Salzzart & Natursalz, Verarbeitender Betrieb - ZurĂŒck zur Ăbersicht
"Gute GesprĂ€che sind wie Sauerteig. Sie dĂŒrfen sich entwickeln."
So Josef Weghaupt, GrĂŒnder von Joseph Brot. Und genauso ist unser GesprĂ€ch gleich dem Teigling im Simperl langsam ĂŒber sich hinausgewachsen, vom Korn zum Brot und seine gesellschaftlichen Dimensionen als âwertvollstes Lebensmittel der Menschheitsgeschichteâ.
Kaffee zum AufwÀrmen
TrĂŒbes Wetter, weite Ebenen, eine Brotmanufaktur mitten im wilden Waldviertel, viel Holz und viel Glas â ein freundlicher Bau, davor: riesige Zelte. Darin: fermentierende Brotteiglinge, die am Sonntag gefertigt wurden (es ist Donnerstag). Die LagerplĂ€tze innerhalb der Manufaktur reichen nicht mehr aus, deshalb die Zelte. Wir trinken erst einmal Kaffee im Freien, vor dem kleinen Verkaufsraum, schaffen jene AtmosphĂ€re, die ein GesprĂ€ch braucht, um sich gut entwickeln zu können. Besichtigung der Brotmanufaktur, Staunen ĂŒber das freundliche Treiben rund um uns, Lex wird mit der Kamera auf die Reise geschickt, wir setzen uns in Josefs BĂŒro: kein Schreibtisch, kein PC, nur ein groĂer Besprechungstisch. Rundherum allerlei alte Sorten in groĂen GlĂ€sern â sie sind ein dankbarer GesprĂ€chseinstieg.
Alte Sorte - Neue Wege
Magst du uns erzĂ€hlen, wie du auf das Projekt âAlte Sortenâ gekommen bist?
Angefangen hat alles 2009/2010. Da ist Martin Allram (Demeter zertifizierter Landwirt im Waldviertel, Anm.) mit seinem Waldstaudenroggen zu mir gekommen. Das ist eine alte Sorte aus der Böhmischen Masse, wo wir geologisch mit dem Waldviertel noch dazu gehören. Martin hat den Waldstaudenroggen rekultiviert und uns ein paar SÀcke zum Experimentieren dagelassen. Und wir sind erst einmal glorios dran gescheitert.
Im Vergleich zum Waldstaudenroggen ist das Korn von normalem Roggen mindestens zwei- bis dreimal so groĂ. Der Waldstaudenroggen hat von Natur aus einen viel höheren Schalenanteil, dafĂŒr aber einen kleineren StĂ€rkekörper und Keimling. Deshalb versĂ€uern Sauerteige mit Waldstaudenroggen extrem stark â und das wirkt sich enorm auf den Geschmack aus: Das Brot aus unseren ersten Versuchen war ungenieĂbar.
Nun hatten wir die SĂ€cke aber schon einmal hier, also haben wir weitergemacht, bis das erste Produkt daraus entstanden ist â und das ist bis heute eines unserer Topseller: das Bio Waldstauden Roggenbrot mit Sommerapfel. Mit dem Apfel haben wir die SĂ€ure in den Griff bekommen. Das Brot besteht zu 100 % aus Waldstaudenroggen und zeichnet sich durch eine wahnsinnige Verzehrfrische aus.
Meine erste Lieferung nach Wien hatte einen Warenwert von 48 Euro. Mittlerweile beziehen wir bis zu 60 Tonnen Waldstaudenroggen im Jahr! Dementsprechend hat Martin Allram den Anbau erweitert. Das hat sich in der Community herumgesprochen und immer mehr Landwirte sind auf uns zugekommen.
Der Start war natĂŒrlich nicht einfach, schon allein wegen der Rohstoffkosten. Wir haben dazumals fĂŒrs Kilo Waldstaudenroggen 90 Cent gezahlt, das war der doppelte Preis von normalem Roggen. Aber das Produkt funktioniert super! Oiso ois leiwand!
2014/2015 dann haben wir uns fĂŒr unser MĂŒsli auf die Suche nach Amarant gemacht â auch ein Urgetreide, allerdings aus SĂŒdamerika. Wir wollten jemanden finden, der es hier fĂŒr uns anbaut. Beim Getreide machen wir keine Ausnahmen, das muss aus Ăsterreich kommen. Andere Lebensmittel kaufen wir schon auch global ein, allerdings unter strengen Auflagen: Wir kaufen grundsĂ€tzlich nicht von HĂ€ndlern. Wir kaufen ausschlieĂlich direkt von Landwirten und Landwirtinnen. Uns ist enorm wichtig, dass der Landwirt durch den Abkauf eine Perspektive entwickelt und sich natĂŒrlich auch um eine regenerative Landwirtschaft kĂŒmmert.
Aber das ist noch nicht die Story zu den âAlten Sortenâ.
2015 haben wir in Burgschleinitz angefangen zu bauen. Es war wahnsinnig schwierig einen Betriebsgrund zu finden. Der Grund, auf dem wir uns jetzt befinden, war schwer vermittelbar, weil unaufgeschlossen.
War es eine bewusste Entscheidung, ins Waldviertel zu gehen?
Als ich 2009 startete, konnte ich mir eine BĂ€ckerei in Wien nicht leisten. Die Konkurrenz ist irrsinnig groĂ und ich hatte keinen Investor. Ich hatte nur mein eigenes Erspartes. Ich bin volles Risiko eingegangen und habâ meine Wohnung in Wien verkauft. Meiner Meinung nach bringt es nix, 30 Jahre herum zu sudern. Just do it.
So bin ich im Waldviertel gelandet. Ich selbst bin gebĂŒrtiger Wiener. Wir sind aber, als ich zehn oder elf Jahre alt war, ins Waldviertel gezogen, weil wir die Oma pflegen mussten. Ich bin auch kein BĂ€cker, ich bin gelernter Fleischhauer â und das ist mir auch ganz wichtig fĂŒr das VerstĂ€ndnis: Mein Papa, war 1937er Baujahr, meine Mama ist 1940 geboren. Meine Eltern gehören noch einer anderen Generation an. Mein Papa hat gesagt, du lernst Fleischhauer. Er wollte, dass ich einen Beruf lerne, den man immer brauchen kann. Ich bin 1981 geboren, da hat man noch richtig viel Fleisch gegessen. In den Augen meines Papas war das also ein krisenfester Job.
Dabei hat sich die Haltung gegenĂŒber Fleisch in den letzten Jahren massiv verĂ€ndert.
Claudia Berger, EinkÀuferin im Familienbetrieb Berger-Schinken, hat auf meine Frage, was sie der nÀchsten Generation gerne mit auf den Weg geben möchte, geantwortet: eine sichere Zukunft.
Die haben aber einen ganz anderen Rucksack zu tragen. Ich hatte kein Geld, dafĂŒr aber auch keine Geschichte, keine Kunden, die ich verlieren hĂ€tte können. Ich war unbelastet und dadurch im Vorteil. Wenn du nicht aus dem Vollen schöpfen kannst, weil du kein Geld hast, musst du kreativ und fokussiert sein. Das können nur Menschen mit Leidenschaft.
Die Story
Da fallen mir zwei wesentliche Stichworte ein, die in den letzten Jahren zunehmend zur Leitplanke in der Spitzengastronomie geworden sind: regional, saisonal. Andreas Döllerer, Haubenkoch in Golling, richtet danach seine Alpine cuisine aus und setzt sich stark fĂŒr regionale, hochwertige Lebensmittel ein.
Man sieht ganz deutlich, wo sich die Spreu vom Weizen trennt. (lacht)
Aber das ist immer noch nicht die Story.
Wir haben hier vor der BĂ€ckerei ein groĂes Feld, das lag damals schon etliche Jahre brach. Das wollten wir natĂŒrlich fĂŒr den Anbau nutzen. Wir haben Lukas Hampel (Demeter zertifizierter Landwirt, Anm.) um Rat gebeten, der uns gleich auf den Boden der Tatsachen geholt hat. Denn die Grundvoraussetzungen sind schon aufgrund der geologischen Gegebenheiten denkbar schlecht: Granitböden mit wenig Humus und kaum WasserspeicherkapazitĂ€ten im Boden. Dann auch noch das Klima: trockene Sommer, sehr kalte Winter, klassisch kontinental eben. Und ich bin ja kein Landwirt, ich bin BĂ€cker! So sind wir auf das Thema âAlte Sortenâ gekommen. Der Acker vor der TĂŒr war der eigentliche Ausgangspunkt.
Wir haben den Acker 2015 ĂŒbernommen und 2016 mit der Umstellung auf Bio begonnen. Das dauert mindestens drei Jahre.
Auf den Feldern sollen Lebensmittel entstehen, das ist fĂŒr mich der Sinn von Landwirtschaft. Wir wollten den Acker unbedingt revitalisieren, also haben wir mit dem Humusaufbau begonnen. Die schon erwĂ€hnten Grundvoraussetzungen waren dann der eigentliche Grund, warum wir uns den alten Sorten angenĂ€hert haben: Die Kombination aus alten Böden und alten Sorten birgt enormes Potential und das gerade angesichts des Klimawandels. Seit zwei Jahren ernten wir nun.
Gerade wird auch wieder die Diskussion gefĂŒhrt, dass aufgrund der hohen AnfĂ€lligkeit konventioneller Sorten fĂŒr Klimaschwankungen etc. eben jene Sorten dahingehend mittels Genmanipulation optimiert werden können, um sie Klima fit zu bekommen.
Gleichzeitig kommst du und sagst, alte Sorten geben das her, aber sie bringen nicht den Ertrag! Und dann noch die 3. Komponente: Brot ist das Lebensmittel, das am hĂ€ufigsten weggeschmissen wird. Wenn man also 1 und 1 und 1 zusammenzĂ€hlt, weiĂ man eigentlich, wohin der Weg fĂŒhren sollte: weniger, aber hochwertiger produzieren. Deine Kundinnen und Kunden haben das verstanden und sind bereit, einen angemessenen Preis dafĂŒr zu bezahlen. Ich glaube aber nicht, dass der GroĂteil der Leute bereit ist, fĂŒr 1 kg Brot mehr als 3 Euro auszugeben, also auf eine grass root Bewegung von Seiten der KonsumentInnen wird man nicht hoffen können. HĂ€ttest du von deiner Seite eine Botschaft an die Politik, wie man das Dilemma angehen könnte?
Ich vertraue nicht auf die Politik, ich bin ein Mensch, der gerne selbst handelt und wenn du dir die Geschichte anschaust â ich hĂ€tte gerne Geschichte studiert, habâ das aber leider nicht finanzieren können â, jede Revolution ist immer aus dem Volk entstanden. Zu hoffen also, dass uns die Politik weiterhelfen wird, das ist auch eine SelbstverstĂ€ndlichkeit, die ich gar nicht hab.
Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Das ist mein Ansatz.
Ich glaube, nur eine Revolution von unten, aus dem Volk und aus einer Idee heraus, kann den Lauf der Geschichte maĂgeblich und nachhaltig verĂ€ndern. Eine Politik, die Probleme löst, ist eine schöne, vor allem aber bequeme Vision, in der man selbst keine Verantwortung ĂŒbernehmen muss. Wir sind in einem freien Land, wir sind freie BĂŒrger und BĂŒrgerinnen, wir können selbst entscheiden, was wir machen. Und diese Entscheidungsfreiheit finde ich wahnsinnig wesentlich. WIRKLICH. (mit Nachdruck.)
2009 habe ich als Einzelperson gestartet. Heute sind wir 300. Es ist ein langer langer langer Weg. Punkt.
Schnelle Lösungen, das gibt es nicht. Das ist eine Illusion, die uns vorgegaukelt wird.
Jedes Mal, wenn ich einen unserer Partner-Landwirte besuche, treffe ich auf mindestens zwei Generationen. Familienbetrieb denken anders. Sie denken nicht im Sinne eines kurzfristigen Profits. Sie denken in Generationen.
Wie viele PartnerInnen habt ihr?
FĂŒr das Projekt âAlte Sortenâ haben wir 18 Landwirte und Landwirtinnen, aufgeteilt auf ganz Ăsterreich.
Brot & Vision
Was ist deine Vision fĂŒr Brot?
Meiner Meinung nach ist es möglich, die gesamte Landwirtschaft auf Bio umzustellen, weil wir es dadurch schaffen, einen viel kleineren CO2-FuĂabdruck zu hinterlassen, als es die konventionelle Landwirtschaft tut. Die konventionelle Landwirtschaft ist eine Erdöllandwirtschaft. Wir pumpen Erdöl aufs Feld, das sind Erdölfelder. Ăsterreich hĂ€tte keine Versorgungsprobleme, wenn wir vollstĂ€ndig auf biologische Landwirtschaft umsteigen wĂŒrden. Das wĂ€râ eine schöne Vision, aber die ist nicht realistisch.
Wir versuchen im Kleinen, im Mikrokosmos, selbst zu handeln, wir versuchen Kleinstrukturiertheit aufrecht zu erhalten und einen Impuls zu geben fĂŒr langsame und nachhaltige Landwirtschaft.
Wie zum Beispiel beim Tauernroggen, den haben Peter und Liesi Löcker ĂŒber viele Jahre hinweg rekultiviert. FrĂŒher, in den 1950ern, haben 250 Landwirte 144 ha mit Tauernroggen bewirtschaftet. Heute reden wir von acht Landwirten, die mir 20 Tonnen liefern. Wenn wir zu den alten Sorten zurĂŒckkehren, dann tragen wir zu einer intakten Umwelt und Artenvielfalt wesentlich bei. Wir leben DiversitĂ€t. Das geht aber nur im Kleinen.
Bevor wir zum Schluss kommen, möchte ich mit dir auch noch ĂŒber eine der wichtigsten Zutaten von Brot reden: ĂŒber unser Salz.
Bei unseren Landsorten verwenden wir zu 100 % Getreide aus alten Sorten und ausschlieĂlich BAD ISCHLER Natursalz. Damit wollen wir zeigen, dass die purste und höchste QualitĂ€t der Zutaten ein wirklich tolles Produkt hervorbringt. Was wir am BAD ISCHLER Natursalz schĂ€tzen, ist natĂŒrlich, dass es aus Ăsterreich stammt und nicht wie anderes Steinsalz einen weiten Transport hinter sich hat. Mit der Herkunft einher geht auch, dass es unter fairen Bedingungen abgebaut wird. Seit kurzem servieren wir in unserem Bistro BAD ISCHLER Salzzart zu Butterbrot mit frischen KrĂ€utern. Die Salzflocken machen sich am Brot wahnsinnig gut, mit dem Crisp.
Ich verstehe die Preisdiskussion beim Natursalz angesichts der Tatsache, wie wenig Salz der Mensch ĂŒbers Jahr konsumiert, eigentlich nicht.
Ich denke, bei Salz verhÀlt es sich Àhnlich wie bei Brot, die Leute haben sich an das Diskonter-Preisniveau gewöhnt und wollen nicht mehr viel bezahlen. Vorbei die Zeiten, als Salz in Gold aufgewogen wurde.
Brot ist ein Grundnahrungsmittel, ich kann die Diskussion um unsere Preise schon verstehen. Deshalb können wir mit unseren Produkten auch nur wenig zu einem umfassenden Wandel beitragen.
Bei den âAlten Landsortenâ schieĂen wir beispielsweise Geld zu, weil der tatsĂ€chliche Preis den Kunden und Kundinnen nicht zumutbar ist. Aber wir garantieren mit dem Projekt den Landwirten die Abnahme ihres Getreides aus den alten Sorten. Wir lassen das Getreide auch auf einem Bauernhof mit einer echten Osttiroler MĂŒhle samt Naturstein steinvermahlen, das schont das Korn und trĂ€gt zur immens hohen QualitĂ€t des Mehls bei. Gleichzeitig bleibt die Wertschöpfung da, wo sie hingehört. NatĂŒrlich generieren wir damit mediale Aufmerksamkeit, aber auch VerstĂ€ndnis fĂŒr die ZusammenhĂ€nge.
Langfristig möchten wir alle Sauerteige auf Landsorten umstellen, das sind immerhin 25 % der gesamten Mehlmenge.
Das ist unser Beitrag zu einer abgesicherten Kreislaufwirtschaft und zu mehr DiversitĂ€t fĂŒr Mensch und Natur. Parallel dazu arbeiten wir aber noch an einem anderen Projekt, das kommt nochâŠ
Wir bedanken uns bei Josef und seinen MitarbeiterInnen fĂŒr die vielen, tiefen, aufschlussreichen und ĂŒberraschenden Einblicke und fahren in die Hauptstadt, wo wir in Josephâs Bistro ein Landsortenbrot mit frischen KrĂ€utern und ein paar Flocken BAD ISCHLER Salzzart genieĂen.